- 16. April, 2024
- Lesezeit: ca. 5 Min.
- Tags: Digitale Lösungen, Multi-Channel-Handel
Zu behaupten, dass der Onlinehandel boomen würde, wäre eine grobe Untertreibung: Im Jahr 2020 verzeichnete die gesamte Branche alleine in Deutschland ein Umsatzwachstum von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr; einzelne Vertreter wie die Fashion-Industrie oder die großen Onlinemarktplätze konnten sogar ein Plus von 40 Prozent für sich verbuchen.
Wachstum also, wohin man online auch schaut – allerdings bringen ein größeres Kundenaufkommen, eine steigende Anzahl an Bestellungen und die damit verbundenen Anforderungen an die Logistik auch eine Vielzahl an neuen Herausforderungen der Digitalisierung für alle Beteiligten mit sich.
Mit einer von ihnen beschäftigen wir uns in diesem Beitrag: dem Multi-Channel-Handel.
Welche Schwierigkeiten ergeben sich beim Datenhandling gerade im Multi-Channel-Vertrieb für Händler und Fulfillment? Wie sehen Lösungen aus? Als Expertin zur Seite steht uns dabei Renée Lauer von Billbee, einem Softwareunternehmen, das sich auf digitale Prozesse zwischen Onlineshops und Fulfillment-Partnern spezialisiert hat.
Digitalisierte Welt, neue Anforderungen an das Fulfillment
Gemeinhin heißt es, dass selbst die Pizzabäckerei an der Ecke inzwischen ihren eigenen Onlineauftritt braucht, wenn es sie nächstes Jahr noch geben soll. Denn das Leben findet für die meisten Menschen heutzutage digital statt. Corona und die damit verbundenen Lockdowns haben diesen Trend nur weiter beschleunigt.
Entsprechend drängen immer mehr Händler ins Onlinesegment vor, die mit Digitalisierung vorher nur wenige Berührpunkte hatten. Selbst der kleine, stetig wachsende Kunsthandwerker aus der Dorfgasse bietet seine Waren mittlerweile im eigenen Shop, bei Etsy und vielleicht sogar auf dem Amazon Marketplace an.
Genau an dieser Stelle beginnen die Probleme für Fulfillment-Dienstleister. Denn die rasant steigende Zahl an Unternehmen, die in den Onlinehandel vorstoßen, bedeutet nicht nur eine immer unübersichtlicher werdende Masse an Softwaresystemen und Dateiformaten, die organisiert werden wollen, sondern macht, insbesondere auch durch die Multi-Channel-Praktiken vieler Händler, die Logistik zum Drahtseilakt.
Analoge Methoden stoßen hier schnell an ihre Grenzen, digitale Prozesse sind der einzig gangbare Weg. Doch nicht alle Fulfillment-Anbieter besitzen eine ausreichend große IT-Abteilung, um der Flut eingehender Informationen Herr zu werden. Und selbst bei größeren IT-Departments kommt es flächendeckend zu Workflow-Infarkt, wenn das Tagesgeschäft der gesamten Abteilung regelmäßig durch die Fallstricke des digitalen Informationsaustausches zum Stillstand kommt.
Digitale Lösungen im Multi-Channel-Handel
Die Methode der Wahl heißen daher Outsourcing und Middleware: Händler genauso wie Fulfillment-Anbieter übergeben die Datenverwaltung in die Hände eines externen Dienstleisters. Dieser stellt für die reibungslose Kommunikation zwischen Shop und Fulfillment eine digitale Schnittstelle zur Verfügung.
Zu diesen Dienstleistern gehört auch Billbee. „Wir verstehen uns als digitales Bindeglied im Bereich Multichannel-Sales zwischen Onlinehändler und ihren Fulfillment- und Logistikpartnern“, erklärt Renée Lauer, Marketing Lead der Softwarefirma. „Unsere Middleware automatisiert eine Vielzahl an Prozessen rund um Auftragsabwicklung und Artikelverwaltung. Dabei spielt es keine Rolle, auf wie vielen Marktplätzen ein Händler aktiv ist; alles wird durch uns synchronisiert. So können sich Shops und ihre angeschlossenen Dienstleister ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.“
Middleware in der Praxis
Was bedeutet das konkret? Betrachten wir einen Anwendungsfall:
Der weiter oben bereits erwähnte Kunsthandwerker etwa stellt in seinem eigenen Onlineshop, sowie in seinen Auftritten bei Amazon Marketplace, eBay und Etsy einen Satz handbemalter Christbaumkugeln ein. Aufgrund der Jahreszeit findet sich alsbald eine Käuferin, die auf Etsy zuschlägt.
Im Hintergrund geschieht nun Folgendes: Die Software von Etsy kommuniziert zunächst mit der Middleware, dem digitalen Bindeglied, das von diesem Punkt an alle weiteren Aufgaben übernimmt. Zunächst informiert die Middleware unseren Kunsthandwerker über den Verkauf, dann entfernt sie den Artikel aus allen Shops sowie aus der internen Bestandsliste des Händlers. Die Daten hierzu stehen dann zum Abruf bereit – und hier lässt sich der Prozess sogar noch weiter optimieren: Ein erfahrener Schnittstellen-Partner wie ProduktivSoftware setzt genau an diesem Punkt ein und sorgt mithilfe einer maßgeschneiderten Anbindung dafür, dass das Tool für den digitalen Informationsaustausch alle relevanten Daten, wie die Versandadresse oder Sonderwünsche rund um die Verpackung auch automatisch an den Fulfillment-Partner schickt. Die Middleware kann so zusätzlich auch mit dem Zahlungsdienstleister kommunizieren und eine E-Mail mit der Auftragsbestätigung an die Kundin schicken.
Es spielt also keine Rolle, welche Software und welches Shopsystem ein Händler verwendet: Durch Middleware werden alle digitalen Prozesse registriert und in eine digitale Sprache übersetzt. Mithilfe eines “Übersetzers” wie dem Schnittstellen-Concierge erreichen schlussendlich auch den Fulfillment-Partner die für ihn wichtigen Informationen in einem Format, die sein eigenes System problemlos weiterverarbeiten kann – letzteres kann dann einfach an Middleware angedockt werden, statt sich andersherum an sie anpassen zu müssen.
Die Klippen des Multi-Channel-Vertriebes umschiffen
„Eine Middleware-Software wie Billbee vermeidet insbesondere die typischen Multi-Channel-Probleme“, erzählt Renée Lauer weiter. „Denn gerade, wenn Händler auf vielen unterschiedlichen Plattformen unterwegs sind, passiert es schnell, dass sie vergessen, einen Artikel aus einem Marktplatz zu streichen.“
Genau in so einem Fall ist Ärger nämlich vorprogrammiert. Verkauft ein Händler ein Unikat auf zwei Marktplätzen an verschiedene Kunden, wird einer unzufrieden und mit leeren Händen zurückbleiben. „Sowas zieht eigentlich immer schlechte Bewertungen und einen großen Imageschaden nach sich“, weiß Lauer.
Aber damit nicht genug, denn wenn bei einem Fulfillment-Partner gleich mehrere Bestellungen über einen Artikel eingehen, der nur einmal auf Lager ist, bricht auch dort das Chaos aus. An wen soll die Ware in so einem Fall versandt werden? Zeitraubende Telefonate und unnötige Kosten für alle Beteiligten, die sich durch eine automatische Lösung ganz einfach vermeiden ließen, sind in der Regel die Folge.
„Zuletzt verhindert so eine Software auch ganz menschliche Fehler“, so Lauer. „Denn Zahlendreher gehören einfach zur Arbeitsrealität, wenn ein Händler seine Informationen händisch an sein Fulfillment übermittelt und dabei gleichzeitig mit einer Vielzahl an Marktplätzen jongliert. Sind die Prozesse automatisiert, passiert das nicht.“
Einfach Implementierung des digitalen Informationsaustausches
Einer der größten Vorteile von digitalen Lösungen für Händler und Fulfillment ist dabei, dass sie sich iterativ an den tatsächlichen Bedarf eines Unternehmens anpassen.
Ist ein Händler etwa noch in der Start-Up-Phase, möchte jedem seiner Kunden eine persönliche E-Mail schreiben und nur die Warenhaltung automatisieren, so lässt sich dies ebenso umsetzen wie ein Komplettsystem, das vom Mahnwesen über das Banking bis hin zum Auslandsversand aller Vorgänge übernimmt. Denn eine gute Middleware, insbesondere für Multichannel-Handel, skaliert mit dem tatsächlichen Bedarf.
Und auch um den in unserem Land so häufig beschworenen Datenschutz muss sich weder der Händler, noch der Fulfillment-Dienstleister, noch der Kunde Gedanken machen. Alle Teilnehmer am System erhalten nur die Informationen, die für sie tatsächlich relevant sind. Je nach Einstellung und der eingesetzten Software bekommt etwa das Fulfillment zwar die Lieferadresse, aber keine Bankdaten der Kunden.
Zeit, auf digital umzusatteln
Middleware als universeller Kommunikator zwischen Marktplatz, Händler und Fulfillment ist also nicht nur ökonomisch und hilft, im Rahmen digitalisierter Prozesse Fehler zu vermeiden, sie passt sich auch individuell an Bedürfnisse aller Parteien an.
In einer Zeit, in der die Wirtschaftswelt immer mehr aus Einsen und Nullen zu bestehen scheint, existieren also kaum noch Gründe für eine Warenhaltung via Zettel und Stift und den umständlichen Dialog per handgeschriebener E-Mail. Nostalgie als Entscheidungskriterium hat sich bislang selten als Erfolgsfaktor erwiesen.
„Mein Tipp: Ich würde als Händler das Zeitgeschehen sehr genau im Blick behalten und meine Prozesse entsprechend anpassen. Denn gerade die Entwicklungen während der Corona-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig es ist, sich nicht abhängen zu lassen”, empfiehlt Lauer.
Die Zukunft ist digital und es lohnt sich für jedes Fulfillment-Unternehmen, hier am Ball zu bleiben.
Titelbild von Headway. Weiteres Bild von Sarah Pflug.